Nachdem Gin lange Jahre ein Schattendasein fristete, ist das Kultgetränk nun wieder sehr gehypt. Vinaria hat sich umgesehen und für Sie zwölf Gins und eine Reihe von Tonics verkostet.
Auch drei österreichische Gins waren dabei und haben sich gut geschlagen.
Unerwartet in Front liegen aber Deutschland und die Schweiz.
Profitierten viele traditionelle Gin-Hersteller von der stark steigenden Nachfrage, so wurden auch zahlreiche Neukreationen auf den Markt gebracht. Nicht nur von den etablierten Erzeugern, sondern auch von Destillerien, die bisher in diesem Bereich noch nicht tätig gewesen waren. Deutlich größer geworden ist auch die aromatische und stilistische Bandbreite der Produkte – kein Wunder, kann man doch gerade bei Gin hier aus dem Vollen schöpfen:
Durch die große Anzahl an möglichen Botanicals (Zusätze pflanzlicher Herkunft, z.B. Gewürze, Kräuter, Früchte, ätherische Öle etc.) ergeben sich unzählige Kombinationsmöglichkeiten und somit zahlreiche verschiedene Rezepturen.
Auch in Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt es mittlerweile eine Reihe von Produzenten hochwertiger Gins.
Jüngst testeten wir redaktionsintern ein willkürlich zusammengestelltes Dutzend verschiedenartiger Gins: von weltweit vertriebenen Massenprodukten, wobei wir uns die Billigmarken wohlweislich ersparten, bis hin zu renommierten Häusern sowie „small batch“ Produkten im Premiumsegment – pur und mit diversen Tonics.
Eher bescheiden war der Einstieg mit den erst 1987 eingeführten Weltmarken Bombay und Bombay Sapphire, die seit 1998 Bacardi gehören. Die Gins besitzen ein weitmaschiges Bukett mit Alkoholbetonung, am Gaumen fehlt es merklich an Körper und Länge – eher für Mixgetränke geeignet. Im gehobeneren Segment sind Tanquerey 10 und Hendricks angesiedelt, wobei Ersterer vom Spross einer englischen Klerikerfamilie im Jahr 1830 gegründet wurde. Zweiterer etwa ein halbes Jahrhundert später von einer schottischen Familie gleichen Namens. Der Tanquerey Ten, für den auch diverse Zitrusfrüchte im ganzen verwendet werden verströmt neben Zitrus auch viel klassische Wacholderaromen, am Gaumen ist er rund, geschmeidig und schliffig, scheint aber ein bisschen hoch im Restzucker.
Besser gefiel uns der sehr würzige, strukturierte, wenn auch etwas burschikose Hendricks mit seiner Pomeranzenfrucht sowie den typischen Anklängen an Rosen und Gurken. Dieser Gin ist übrigens das Ergebnis einer Vermählung der Destillate aus zwei sehr raren alten Potstills.
Die besten österreichischen Vertreter hinterließen gemischte Gefühle: Der eher weiche „Nord-Süd“ von der Waldviertler Destillerie Rogner ist etwas breit angelegt und mit einer Überdosis Zitrus ausgestattet. Der Organic Premium von Farthofer ist sehr eigenständig, neben Wacholder besitzt er auch ein fast asiatisch anmutendes Gewürzflair, er ist aber doch recht wuchtig und ein wenig streng am Gaumen. Am besten gefiel uns von den heimischen Vertretern Hans Reisetbauers exzellenter Blue Gin mit seiner transparenten und feinen, mit floralen Akzenten, Wacholder und Bergamotte versetzten Nase und der Kombination von Kraft und Eleganz.
Vom Stil her aber gänzlich anders konzipiert ist der ausgezeichnete Nolet’s Silver Dry Gin, der aus einer traditionsreichen, 1691 gegründeten Destillerie in Schiedam (Niederlande) stammt – eine moderne Gin-Interpretation, bei der der Wacholder deutlich in den Hintergrund tritt, dafür verströmt der ungemein geschmeidige, dichte und balancierte Nolet’s viel Frucht und florale Noten – Pfirsiche, Beeren, Rosen, Weihrauch und Piri Piri.
Exzellent gefallen hat uns auch der fünffach destillierte Arctic Velvet Premium Gin aus der Schweiz, der 25 Botanicals enthält und mit Quellwasser aus Grönland auf Trinkstärke gebracht wird: Elegant, dabei tiefgründig, duftig, dezente Frucht, frische Gewürznoten, pointiert und strukturiert.
Stilistisch genau das Gegenteil stellt der Monkey 47 aus dem deutschen Schwarzwald dar, der vom britischen Besatzungskommandeur Montgomery „Monty“ Collins in den Fünfzigerjahren kreiert wurde, danach in Vergessenheit geriet und dessen Rezeptur um die Jahrhundertwende wieder auftauchte. Er besitzt eine rauchige, pfeffrige, dunkelwürzige und fast an Orangenbowle erinnernde Aromatik. Damit entfernt er sich zwar vom hellen, transparenten, frisch-würzigen Gin-Stil, dafür stellt er dank seiner Aromatik sowie Tiefgründigkeit und Komplexität einen ganz eigenständigen Stil dar.
Danach gab’s noch den im Stil einer früher beliebten Gin-Variante hergestellten, mit gemälzter Gerste hergestellten Ransom Old Tom Gin aus Oregon (USA), der im Holzfass gereift wird und deutlich Restsüße enthält – kraftvoll und dicht, aber auch gewöhnungsbedürftig. Wenig Anklang fand schließlich der Boudier Saffron Gin – aromatisch komplett überladen, dafür schlanke Substanz und etwas brandig im Finish.
Zu den Gins probierten wir diverse Tonics, wobei wir auf Massenmarken wie Schweppes und Canada Dry sowie diverse Billigprodukte bewusst verzichteten. Von den sieben verkosteten Tonics (Thomas Henry, Fentimans, Original, 1724, San Pellegrino Old Tonic, Q Tonic und Sens) überzeugten uns der zitrusbetonte, lebhafte Klassiker Fentimans, das charaktervolle Q Tonic mit Agave und Quinin sowie das ausgezeichnete, pikante, zart fruchtige 1724.
18.08.2014 – Peter Schleimer
Hier der Originallink! http://www.vinaria.at/News_Detail.aspx?id=407